Diskussionsveranstaltung mit Prof. Dr. Michael Krätke, Uni Lancaster und Dr. Joachim Beerhorst, IG Metall am Freitag, dem 20. November 2009, 19:30 Uhr im Café Kommunikationszentrum (KoZ) im Studierendenhaus, Uni-Campus Bockenheim, Frankfurt am Main.
Es ist nicht einsichtig, wieso wir in demokratischen Gesellschaften einen Großteil der Zeit in politisch kaum beeinflussbaren, vielfach entmündigenden Verhältnissen arbeiten sollten. Doch die Kritik kapitalistischer Verhältnisse bleibt häufig entweder rein negativ, oder in obskuren Idealen von Verteilungsgerechtigkeit befangen. Der Kerngedanke wirtschaftsdemokratischer Politiken ist dagegen, dass eine Demokratisierung der privaten Verfügungsgewalt über Produktions- und Investitionsmittel erstritten werden muss. Gemeinsam ist diesen Ansätzen allerdings keine Blaupause einer idealen Gesellschaft, sondern vielmehr eine radikalreformerische Perspektive, in die sich verschiedene Kämpfe um die Ausweitung demokratischer Kontrolle über betriebliche, arbeitsrechtliche und makroökonomische Entscheidungsprozesse einschreiben. Der Übergang von einer kapitalistischen zu einer sozialistischen Wirtschaftsweise verweist darin nicht mehr auf ein utopisches Jenseits, sondern auf die gemeinsame Fluchtlinie der im Aktuellen ansetzenden Kämpfe um eine vermehrte demokratische Verfügungsgewalt über den Prozess des Wirtschaftens.
In der emanzpatorischen linken Bewegung in West- und Osteuropa hat das wirtschaftsdemokratische Denken eine lange, theoretisch und praktisch einflussreiche Tradition. Wirtschaftsdemokratie stellte in der sozialistischen ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung der Weimarer Republik eine relevante politische kapitalismuskritische Perspektive dar; während des Prager Frühlings wurden wirtschaftsdemokratische Konzepte gegen den autoritär-planwirtschaftlichen Sowjetkommunismus in Anschlag gebracht und waren ein zentraler Bezugspunkt reformerischer Politik für einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Auch in die West-Linke dieser Zeit hatte Wirtschaftsdemokratie eine große Ausstrahlungskraft.
In den letzten Jahren spielten wirtschaftsdemokratische Ideen – auch in linken Diskussionen – jedoch eine eher randständige Rolle. Erklärungsansätze für diese Krise wirtschaftsdemokratischen Denkens gibt es einige. So gerieten mit dem Siegeszug neo- und wirtschaftsliberaler Überzeugungen auf fast alle etablierten Parteien emanzipatorische sozialistische Transformationsvorstellungen insgesamt in Bedrängnis – in der Tagespolitik scheinen wirtschaftsdemokratische Vorstellungen nurmehr in der Utopismusecke einen Platz zu haben. Mit der ökonomischen Globalisierung und der damit bewirkten relativen Schwächung der politischen Regulationsinstanzen konnten auch offensivere wirtschaftsdemokratische Forderungen schwerer adressiert werden. Nichtsdestotrotz wird in jüngster Zeit - im Zuge der aktuellen Wirtschaftskrise - v.a. in linken Medien wieder häufiger auf "Wirtschaftsdemokratie" Bezug genommen. In der wissenschaftlichen Literatur findet die Auseinandersetzung mit dem Thema schon seit längerem wieder statt.
Im Rahmen der Veranstaltung werden die Referenten einen kurzen Überblick über die historische und konzeptuelle Entwicklung wirtschaftsdemokratischen Denkens geben. Da sich beide Referenten nicht nur theoretisch mit Wirtschaftsdemokratie beschäftigen, sondern auch eine praktisch-politisch Perspektive einnehmen, möchten wir uns im Anschluss daran der Frage zuwenden, inwieweit wirtschaftsdemokratisches Denken konkrete Ansätze bereit hält, die insbesondere angesichts der aktuellen (ökonomischen) Krise des neoliberalen Kapitalismus eine demokratische, emanzipatorische und autoritätskritische Perspektive eröffnen.
Eine Veranstaltung von Jungdemokraten/Junge Linke Hessen unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung.